Party: THE NOTWIST

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Party: THE NOTWIST

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Alle sechs bis sieben Jahre, so besagt eine alte spirituelle Lehre, wird das Leben jedes Menschen von einem bedeutungsvollen Einschnitt geprägt. Die Weisheit dieser Formel zeigt sich dadurch, dass sie dem Rhythmus ziemlich nahekommt, in dem die Band The Notwist ihre Platten veröffentlicht. Anfang 2002 kam das epochale Album „Neon Golden“ heraus, im Frühling 2008 dann „The Devil, You & Me“, und jetzt, am 21. Februar 2014, erscheint endlich „Close to the Glass“, die insgesamt siebte Studioplatte der Band. Als vor ein paar Wochen plötzlich der Titelsong im Netz stand und der Erscheinungstermin des neuen Albums bekanntgegeben wurde, ohne viele Worte, mit der Notwist-eigenen Lakonie, war die Aufregung in den Sozialen Medien groß. Innerhalb von Stunden wurde der Link hunderte Male gepostet; gewöhnlich zurückhaltende Facebook-Freunde verloren jede Contenance, schrieben wie fiebrige 17-Jährige von ihrer „Schnappatmung“ angesichts der lang erwarteten Ankündigung. Und es wurde wieder einmal deutlich, in welch ungewöhnlichem Verhältnis die Aktivitäten der Band zur Aufmerksamkeit ihres Publikums stehen. Großangelegte Marketing-Feldzüge scheitern regelmäßig bei dem Versuch, ein Minimum an öffentlichem Interesse für eine Band auszulösen. Bei The Notwist ist es längst umgekehrt: Ihre Musik ist für viele zu einem vertrauten Begleiter geworden, und nach Jahren der Stille reicht ein einziger Satz, ein einziger Song aus, um ein gewaltiges Echo der Vorfreude heraufzubeschwören. „Close to the Glass“ also: Das neue Album ist gleichzeitig die vielseitigste und die homogenste Platte, die The Notwist bislang gemacht haben. Die Band verwendet gerne den Begriff „Collage“, wenn sie das Gesamtbild der zwölf Stücke beschreiben soll: Komplexe elektronische Tracks, wie das Anfangsstück „Signals“, der Titelsong oder „Into Another Tune“, wechseln sich ab mit Liedern, auf denen fast nur Markus Achers Stimme und eine Akustikgitarre zu hören sind („Casino“, „Steppin’ In“); es gibt das mitreißende „Kong“, den Hit der Platte, den The Notwist schon länger live spielen, und ein fast neunminütiges, wunderschönes Instrumental („Lineri“), Beatles–hafte Gesangslinien („Run Run Run“) folgen auf vollständig gesampelte Tracks („The Fifth Quarter of the Globe“), die an instrumentale HipHop-Meisterwerke wie DJ Shadows „Endtroducing“ aus den Neunzigerjahren erinnern. Diese Vielfalt der Stile geht aber auf einen Arbeitsprozess zurück, der mehr als früher auf Gemeinschaft beruht. Markus Acher, Micha Acher und Martin Gretschmann, die langjährigen Kernmitglieder von The Notwist, sagen, dass sie sich noch nie so sehr als Band empfunden haben wie heute. Mit Andi Haberl (Schlagzeug, Percussion, Gesang), Max Punktezahl (Gitarre, Keyboards) und Karl Ivar Refseth, einem norwegischen Vibraphonisten, bilden die drei inzwischen eine umwerfende Live-Besetzung, die in Sekundenschnelle den Charakter des Notwist-Sounds ändern kann, von konzentrierten, jazzartigen Passagen zum Lärmgewitter und zurück. „Close to the Glass“ mag daher wie eine Collage klingen – aber sie stammt von einem verschworenen Kollektiv, von einer Einheit. Nicht umsonst wollten The Notwist die gesamte Platte ursprünglich sogar live einspielen, im Vertrauen auf die berauschenden Konzerte in den letzten Jahren. Aber da sich die unmittelbare Bühnenenergie nicht ohne weiteres im technischen Aufnahmeprozess bewahren lässt, wurde sie in fast zweijähriger Studioarbeit Spur für Spur, Schicht für Schicht wiederbelebt. „Es ist uns inzwischen völlig egal, woher oder von wem ein bestimmter Sound kommt“, sagt Martin Gretschmann, „weil die Band selbst einfach ein großes Feedback-System ist, und es nur darauf ankommt, Teil dieses Feedback-Prozesses zu sein“. Jeder in der Band spielt inzwischen jedes Instrument, jeder programmiert und sampelt; die elektronisch erzeugten Töne klingen auf „Close to the Glass“ daher oft wie auf herkömmlichen Instrumenten gespielt und umgekehrt. Wie ununterscheidbar diese beiden Entstehungsweisen von Musik für The Notwist geworden sind, zeigt am anschaulichsten das Instrumental „Lineri“: Es wirkt wie das komplexeste, programmierteste Stück auf der Platte, aber tatsächlich wurde es einfach live eingespielt, hauptsächlich auf analogen Synthesizern und fast ohne Overdubs. Die große Überraschung auf „Close to the Glass“ ist aber sicher Markus Achers Gesang. Die brüchige, zurückgenommene Stimme war immer ein geliebtes Markenzeichen der Band, aber Markus sagt, dass ihn seine Art zu singen in den letzten Jahren zunehmend gelangweilt hat; er wollte das Spektrum seiner Stimme erweitern, und auf „Close to the Glass“ kann man staunend zuhören, wohin ihn dieser Wunsch geführt hat. Der Gesang auf dem Album ist variabler und bestimmter geworden, die Stimme steigt immer wieder in unbekannte Höhen („Kong“, „Casino“), und im Refrain des Songs „Steppin’ In“, gegen Ende der Platte, erreicht sie eine geradezu hymnische, weltumarmende Ausdrucksstärke. In „Casino“ – dem vielleicht schönsten Lied, das die Band je geschrieben hat – singt Markus Acher von einem trostlosen Paar, das sein Leben an Glücksspielautomaten und Spieltische verschwendet hat. Dem neuen Notwist-Album „Close to the Glass“ ist größeres Glück beschert: Im Casino des Pop hat es den Jackpot gewonnen.

Invited: Gaurav Singh, Lea Pea, Sam Ara, Andie Be, Sophie Negrusch, Stefano Tiracchia, Tonia Letzo, Marcel Kochert, Ne Le, Kristina Richter, Chri Schö, Verena Bertram, Annika Lück, Valentina Garosi, Nina Witkiewicz, Leila Ruymen, Natalie Herrmann, Franze Minake, Hanno Heitmann, Daniel Grinstead, Malina Ahja show more »